Warum kann ich mich nicht leiden?

Sorry der Ausdruck, aber manchmal halte ich meinen Körper echt für einen "Arsch". Da denke ich, es geht mir psychisch besser, schon tut's dann auf einmal wieder irgendwo weh. Sei's die Migräne oder der Rücken. Das macht mich wahnsinnig. Ich kann mich also oft wirklich gar nicht leiden. 

Und jetzt die grosse Frage: Merkt das mein Körper? Streikt er vielleicht, wenn er merkt, dass ich ihn beschimpfe? Kann ich mit Selbstfürsorge wieder mehr in Kontakt mit ihm treten?

Körperliche Wehwehchen und Psyche sind ein Dreamteam, leider oft im negativen Sinn. Wenn der Körper streikt, meckert auch der Kopf. Und wenn der Kopf meckert, spüren wir jedes Zipperlein doppelt so stark.

Aber: Sich selbst nicht leiden können ist kein endgültiges Urteil. Es ist ein Signal – ein Hinweis, dass es Zeit ist, wieder mehr Selbstfürsorge ins Spiel zu bringen. 

 

Was stört dich denn an dir?

Wir selbst sind unsere strengsten Kritiker. Während wir jedes vermeintliche „Manko“ im Spiegel sofort entdecken, nehmen andere Menschen uns ganz anders wahr. Oft sehen sie Stärke, Humor oder Wärme, wo wir nur Schwächen sehen. Das verzerrte Selbstbild kann also viel härter sein als die Realität. Wenn uns andere als "schön" empfinden, kann das auch innerlich mächtig in die Hose gehen. Dann schämen wir uns und können das Kompliment gar nicht richtig annehmen. Eigentlich doof, was?

Der innere Konflikt?

Wenn wir ein Kompliment bekommen – „Du siehst toll aus“ oder „Das hast du echt gut gemacht“ – passiert in uns oft Folgendes:

  • Aussen: Jemand meint es ehrlich und freundlich.
  • Innen: Unser Kopf sagt: „Das stimmt doch gar nicht. Die übertreiben. Ich bin nicht schön/klug/talentiert.“

Dieser Konflikt entsteht, weil unser Selbstbild (das, was wir von uns denken) nicht zu dem passt, wie andere uns sehen. Und meistens ist unser Selbstbild viel kritischer, viel härter, oft sogar grausamer als jede fremde Meinung.

Das Gehirn „sortiert“ automatisch:

  • Negatives = wird sofort geglaubt („Ja, stimmt, ich bin nicht genug“).
  • Positives = wird angezweifelt („Das hat die nur gesagt, um nett zu sein“).

Das Ergebnis:

  • Komplimente verpuffen.
  • Wir fühlen uns trotz Anerkennung leer.
  • Wir vertrauen mehr auf innere Selbstkritik als auf äussere Wertschätzung.

Warum finden wir uns selbst nicht schön oder schlau?

  • Weil wir uns dauerhaft vergleichen – mit Idealen, Social Media, mit „besseren“ Kollegen oder Freunden.
  • Weil unser Gehirn von Natur aus eher auf Fehler und Defizite achtet (evolutionär ein Schutzmechanismus).
  • Weil alte Erfahrungen (z. B. abwertende Sätze aus Kindheit/Jugend) wie ein Filter wirken: Wir sehen uns durch diese Brille – und die ist selten freundlich.
     

Wir wollen Anerkennung, aber wir lassen sie nicht an uns ran.
Das macht unzufrieden, hält uns klein und sorgt dafür, dass wir im Spiegel nicht sehen, was andere sehen.

Warum sehen wir uns selbst so viel schlechter, als andere?

Mal ehrlich: Wir sind oft unsere härtesten Kritiker. Während andere uns als sympathisch, klug oder schön wahrnehmen, stehen wir vorm Spiegel und sehen nur das, was angeblich „nicht passt“. Aber warum eigentlich?

Unser Gehirn ist eine Dramaqueen

Es merkt sich Negatives viel stärker als Positives. Ein Kompliment? Pff, gleich vergessen. Eine blöde Bemerkung? Die hängt noch Jahre später wie ein Kaugummi im Kopf.

Die alten Stimmen im Ohr

Was wir in der Kindheit oder Jugend gehört haben („sei besser“, „das reicht nicht“) prägt unser Selbstbild bis heute. Wie eine alte Kassette, die nicht aufhört zu dudeln.

Vergleichsfalle deluxe

Wir vergleichen unser eigenes „Making-of“ mit dem „Best-of“ anderer. Social Media setzt da noch einen drauf: perfekte Filter, perfekte Körper, perfekte Leben. Niemand postet ein Foto vom Wäscheberg oder dem Nervenzusammenbruch auf dem Klo. Wir sehen nur Glitzer und Hochglanz – und fühlen uns daneben sofort wie ein grauer Pixel.

Selbstschutz durch Selbstkritik

Manche machen sich lieber selbst klein, bevor es jemand anders tun könnte. Klingt schräg, fühlt sich aber „sicherer“ an – und ist auf Dauer ziemlich zermürbend.

Und warum kriegen wir das so schwer abgestellt? Ganz einfach: Diese Muster sind wie ausgetretene Trampelpfade im Kopf. Wir laufen sie automatisch. Komplimente prallen ab, weil sie nicht zu dem passen, was wir gewohnt sind von uns zu denken. Und jedes Scrollen durch Social Media giesst nochmal Beton in diese Spuren.

Die gute Nachricht: Man kann lernen, neue Wege zu gehen. Langsam, Schritt für Schritt. Ein Kompliment mal ohne Kommentar annehmen. Einen Tag Social Media-Pause machen und stattdessen echte Menschen treffen. Oder sich ganz bewusst fragen: „Würde ich so auch mit meiner besten Freundin reden?“ – wenn die Antwort „nein“ lautet, weisst du, dass dein innerer Kritiker gerade wieder Blödsinn erzählt.

Und genau da liegt der Knackpunkt: Wir können das Gedankenkarussell nicht einfach ausschalten – aber wir können bewusst kleine Stopps einbauen. Statt uns ständig mit anderen zu vergleichen, können wir wieder anfangen, uns selbst zu spüren.

Selbstfürsorge bedeutet nicht, perfekt zu sein oder plötzlich alles zu lieben, was man im Spiegel sieht. Es bedeutet, sich freundlich zu begegnen und den eigenen Körper wie einen Verbündeten zu behandeln – Schritt für Schritt. Kleine Rituale im Alltag können genau dabei helfen: mehr Kontakt zu dir selbst, weniger Macht für den inneren Kritiker.

Woran wir arbeiten können

Es gibt Dinge, die wir tatsächlich selbst beeinflussen können – ohne OP und ohne Zauberstab:

  • Körperhaltung – schon ein aufrechter Gang macht einen riesigen Unterschied.
  • Fitness & Beweglichkeit – kleine Routinen stärken dich von innen heraus.
  • Haut, Haare, Zähne pflegen – klingt banal, fühlt sich aber direkt besser an.
  • Kleidung bewusst wählen – nicht für Instagram, sondern für dein Wohlgefühl.
  • Innerer Dialog – hör dir mal zu, wie du mit dir sprichst. Würdest du so mit deinem besten Freund reden?

Was wir nicht ohne Weiteres ändern können

Und dann gibt’s da noch die Dinge, die wir nicht mal eben ändern können – ausser wir legen uns unters Messer:

  • Körpergrösse, Proportionen, bestimmte Merkmale
  • genetische oder medizinische Besonderheiten
  • manches, was uns optisch stört, gehört schlicht zu uns

Das heisst nicht, dass du damit leben musst, wenn es dich stark belastet – aber es heisst, dass du dich nicht jeden Tag dafür fertig machen solltest. Dein Wert hängt nicht an einem OP-Plan.

Selbstfürsorge

Kommen wir also zum eigentlichen Punkt, worauf ich hinaus wollte. Und da geht's darum, dass du lernen kannst, dich zu akzeptieren. Im Besten Fall natürlich lieben, aber wir wollen vorerst mal auf dem Boden bleiben. Selbstfürsorge heisst ja nicht, dass du jeden Tag einen SPA-Tag einlegen musst, oder in die Ferien fahren sollst - nein, Selbstfürsorge startet schon bei den kleinen Dingen.

Ich hab dir hier mal ein paar davon zusammengefasst:

Körperpflege Zelebrieren

Okay, zelebrieren ist übertrieben, aber ich meine damit, dass du nicht husch-husch machst, sondern dabei einfach mal spürst. 

Beispiel: Körper eincremen, ganz bewusst, jede Stelle sorgfältig beachten und fühlen.
→ Effekt: Sanfte Berührungen aktivieren die Hautrezeptoren und beruhigen das Nervensystem – ähnlich wie eine kleine Umarmung für deinen Körper.

Oder: unter der Dusche das warme Wasser bewusst wahrnehmen.
→ Effekt: Wärme entspannt Muskeln und signalisiert Sicherheit, Stresshormone sinken.

Kleidung, die dir gut tut

Beispiel: Ein frisches T-Shirt oder dein „Lieblingspulli“ – auch zuhause.

→ Effekt: Weiche Stoffe, frischer Geruch und ein Wohlfühlgefühl signalisieren deinem Gehirn: Ich kümmere mich um mich. Das stärkt Selbstwert und Präsenz.

Achtsames Essen

Beispiel: Iss ohne Ablenkung – spüre Geschmack, Geruch, Konsistenz.

→ Effekt: Achtsames Kauen aktiviert die Verdauung, beruhigt den Magen-Darm-Trakt und senkt Stresspegel, das Nervensystem schaltet vom „Kampf/Flucht“- in den „Ruhe/Regeneration“-Modus.

Inneren Dialog verändern

Beispiel: Statt „Ich bin blöd“ → „Ich habe es versucht, das zählt.“

→ Effekt: Positive Selbstansprache reduziert Cortisol (Stresshormon), stärkt die neuronalen Verbindungen für Selbstvertrauen – langfristig mehr Gelassenheit und Resilienz.




Kleine Rituale, grosse Wirkung

Es ist so - Dein Körper reagiert auf jede liebevolle Geste

Am Ende des Tages zählt nicht, was andere über dich denken – sondern wie du mit dir selbst umgehst. Menschen um dich herum werden dich immer durch ihre eigene Brille sehen: mal strenger, mal liebevoller, mal ganz anders, als du dich selbst wahrnimmst.

Wirklich wichtig ist, dass du lernst, dich in deinem Körper und mit deinen Gedanken zuhause zu fühlen. Nicht perfekt, nicht makellos – sondern echt. Wenn du dich selbst ernst nimmst, mit deinen Grenzen, deinen Stärken und auch mit deinen Macken, dann wird das Aussen plötzlich leiser.

Selbstfürsorge heisst: Frieden schliessen mit dir selbst. Und das ist wertvoller als jedes Kompliment von aussen.

 

 

 

 

 

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