
INTERVIEW
Interview mit mir selbst
„Wenn du dich lange falsch fühlst, brauchst du irgendwann jemanden, der dich nicht reparieren, sondern sehen will.“
In diesem Interview stelle ich mir selbst ein paar Fragen – nicht, um alles offenzulegen, sondern um ein Zeichen zu setzen. Für andere, die sich fremd fühlen. Für all jene, die gelernt haben zu funktionieren, anstatt zu fühlen. Und vielleicht auch für mich selbst.
Jasmin, wann hattest du das Gefühl: Ich bin irgendwie anders?
Ziemlich früh. Ich hab mich nie wirklich „zugehörig“ gefühlt. Nicht in meiner Familie, nicht in meinem Körper, nicht in der Welt. Ich hab früh gelernt, dass man besser funktioniert, wenn man sich anpasst – und still ist.
Wie war deine Kindheit?
Kurz gesagt: chaotisch, lautlos, ungesagt. Meine Mutter war oft weg, mein Vater ganz. Ich bin mit meiner Schwester bei unseren Grosseltern aufgewachsen. Es war vieles da – ausser Sicherheit. Ich habe sehr früh angefangen, mich selbst abzulehnen. Ich hatte viele Träume, habe jedoch schnell realisiert, dass es nur bei Träumen bleibt. Wenn du immer nur hörst "Du kannst das nicht, du schaffst das nicht, du bist zu klein", dann resigniert man irgendwann und versucht einfach nur durchzukommen.
Wie hast du damit nach aussen gewirkt?
Fröhlich. Stark. Sportlich. Ich habe die Rolle der „Unnahbaren“ perfektioniert – weil Nähe immer gefährlich war. Ich war laut, aber innerlich leer. Beziehungen hab ich meistens sabotiert, bevor sie echt werden konnten. Wie sollte mich auch jemand lieben, wenn ich mich selbst nicht mochte? Wie sollte ich jemandem vertrauen, wenn ich von meinen Selbstzweifeln zerfressen war? Und wer ich eigentlich bin, wusste ich ja selbst nicht.

Gab es einen Wendepunkt?
Mit 14 habe ich versucht, mich umzubringen. Seitdem war da dieser tägliche Wunsch: einfach zu verschwinden. Später kamen meine Söhne – und damit auch Verantwortung. Ich bin einfach nur noch gelaufen, ohne innezuhalten. Und irgendwann kam der Zusammenbruch. Aber rückblickend war genau der auch ein Anfang. Es musste ja irgendwann so weit kommen.
Welche Rolle spielt heute deine Diagnose?
PTBS, Depression – und wahrscheinlich bald noch ADS. Früher hab ich das alles als Schwäche gesehen. Heute sehe ich es als Beschreibung. Nicht als Entschuldigung, aber als Erklärung. Und vor allem: als Startpunkt. Ich habe mittlerweile akzeptiert, dass es mir so geht. Das war auch ein langer Weg. Ich habe lange versucht, das Chaos in mir zu verdrängen, aber es hat mich eingeholt und wie einen Blitzschlag getroffen. Jetzt bin ich froh darüber, ich kann versuchen damit zu leben und herausfinden, wer ich bin und was ich im Leben noch erreichen will.
Was hat sich verändert – innerlich?
Ich kämpfe weniger gegen mich. Ich arbeite daran, mich nicht nur zu ertragen, sondern irgendwann zu mögen. Kleine Schritte. Weniger Druck. Und zum ersten Mal in meinem Leben: ein sicherer Mensch an meiner Seite.
Warum erzählst du das hier – wenn auch nur angedeutet?
Weil ich weiss, wie einsam es sich anfühlt, wenn du denkst, du bist kaputt. Ich möchte zeigen: Du bist nicht allein. Und du musst nicht stark tun, um überleben zu dürfen. Und wenn ich mit meiner Seite wenigstens nur einer Person weiterhelfen kann auf dem steinigen Weg, dann hat es sich bereits gelohnt!